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Forschungsprojekt „IdenT“: autonomes Fahren im Fokus August 2020 | Future Lab

Lesezeit ca. 5 Minuten Text: Petra Wurm Fotos: BPW
Lkw mit 40 Tonnen Gesamtgewicht gehören zum normalen Straßenbild. Aber ohne Fahrer? Gerade im Nutzfahrzeugbereich bietet autonomes Fahren enormes Potenzial, aber auch besondere Risiken. Obwohl Trailer die Fahrdynamik und Zuverlässigkeit des Sattelzugs stark beeinflussen, wurden sie beim Thema autonomes Fahren bislang wenig berücksichtigt. Das Forschungsprojekt „IdenT“ ändert dies.

Wie können intelligente Trailer dazu beitragen, dass Lkw autonom und zugleich sicher und wirtschaftlich unterwegs sind? Mit dieser Frage beschäftigen sich BPW Bergische Achsen und sieben hochkarätige Partner aus Forschung und Praxis seit Februar 2020 im Projekt „IdenT – Identifikation dynamik- und sicherheitsrelevanter Trailerzustände für automatisiert fahrende Lastkraftwagen“. Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte Projekt mit einem Gesamtvolumen von 4,7 Millionen Euro ist auf drei Jahre angelegt und soll einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass das Potenzial automatisiert fahrender Lastkraftwagen genutzt werden kann.

Autonomes Fahren voranbringen

Bislang stand beim Thema autonomes Fahren in der Regel die Zugmaschine im Mittelpunkt, der Trailer wurde kaum berücksichtigt. Schon seit geraumer Zeit machen sich die Experten bei BPW Gedanken, wie man diese Lücke schließen und die Entwicklung dadurch aktiv mitgestalten kann. „Wir stellen uns natürlich immer die Frage, was unsere Produkte irgendwann einmal leisten müssen, wenn in der Fahrerkabine kein Fahrer mehr sitzt“, erläutert Dr. Jan-Philipp Kobler, Vorentwickler Mechatronik, die Motivation von BPW. Mit Kollegen aus den Bereichen Mechatronik sowie Simulation & Versuch betreut er für den Nutzfahrzeugzulieferer das ambitionierte Projekt. Im Schulterschluss mit dem Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit und dem Institut für Mechatronische Systeme der Uni Hannover gelang es, weitere starke Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft zu gewinnen, um als Konsortium einen Förderantrag zu stellen. Nach einem fast zweijährigen, komplexen Bewerbungsverfahren wurden Forschungsansatz und -bedarf bestätigt und der Antrag bewilligt.

»Wir stellen uns natürlich immer die Frage: Was müssen unsere Produkte leisten, wenn in der Fahrerkabine kein Fahrer mehr sitzt?« Dr. Jan-Philipp Kobler

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Nun arbeitet man im Forschungsprojekt intensiv daran, Trailer fit zu machen für die Transportwelt der Zukunft. „Wir möchten ermöglichen, dass sie von einer autonomen Zugmaschine bewegt werden. Damit verbunden ist die Frage: Was von dem, was der Fahrer heute alles tut, könnte künftig der Trailer erledigen? Und auch: Was muss der Trailer übernehmen, was der Truck aus technischen Gründen nicht leisten kann?“ Intelligente Trailersensorik ist gefragt, um Sicherheit und Effizienz beim autonomen Fahren zu maximieren. Ziel des Projekts ist daher, ein IdenT-System aufzubauen und zu erproben: Indem es den Trailer zuverlässige Informationen ermitteln und bereitstellen lässt, will das Projektteam das autonome Fahren der Zugmaschine unterstützen. Konkret soll es um Informationen aus vier Bereichen gehen: • zu fahrdynamikrelevanten Faktoren (Gewichts- und Ladungsverteilung, Achslasten etc.) • zu Zuständen und Restlaufzeiten funktions- und sicherheitsrelevanter Komponenten • aus der Rückraumüberwachung • zur Fahrbahnbeschaffenheit

Das gesamte IdenT-Projektteam – hier ein Foto aus der Vorbereitungsphase – trifft sich nach Möglichkeit halbjährlich persönlich. Konkrete Aufgaben werden in partnerübergreifenden Arbeitsgruppen gelöst.

Das erste inhaltliche Ziel ist, dass der Trailer fahrdynamikrelevante Informationen für die Zugmaschine bereitstellt. Wie schwer er gerade ist, wo der Schwerpunkt der Ladung liegt, wie die Achslasten verteilt sind: Alle diese Daten sind heute noch nicht verfügbar – aber sie sind relevant, wenn es darum geht, das autonome Fahren sicherer zu machen. „Muss die Zugmaschine eine autonome Gefahrenbremsung durchführen, sind diese Informationen von großer Bedeutung, denn der Trailer ist viel schwerer als die Zugmaschine und bestimmt damit letztlich, wohin der Zug im Notfall fährt“, erklärt Dr. Kobler die Intention. „Die Analyse dieser Daten liefert außerdem Hinweise auf verrutschende Ladung, und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung von Transportschäden und zur Erhöhung der Sicherheit des autonomen Gütertransports.“ Der zweite Punkt zielt auf die vorausschauende Instandhaltung (Predictive Maintenance) ab. Heute kontrolliert der Fahrer den Zustand des Trailers, künftig muss dies der Trailer selbst tun – eine wichtige Grundvoraussetzung, ohne die das autonome Fahren von Sattelzügen nicht möglich sein wird. Schäden an Reifen, Bremsen, Fahrwerk, Beleuchtung, Aufbau und Ladung müssen zuverlässig und rechtzeitig erkannt werden um ungeplante Ausfälle und die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zu vermeiden. Idealerweise sollte der Trailer in der Lage sein, Auskunft über Verschleißteile und alle funktions- und sicherheitsrelevanten Komponenten zu geben. Damit wäre es möglich, Werkstattaufenthalte optimal zu planen und somit Stillstand sowie damit verbundene Kosten zu minimieren. Ein Beispiel ist der BPW BrakePadMonitor – ein Sensor, der den Verschleiß am Bremsbelag misst und sich über eine Telematikanbindung beim Fahrzeugbetreiber meldet, sobald ein Schwellenwert überschritten wird. Weitere inhaltliche Ziele des Projekts sind die Rückraumüberwachung, die zum Beispiel für sichere autonome Spurwechsel bei Überholmanövern unerlässlich ist, sowie die Ermittlung und Bereitstellung von Informationen zur Fahrbahnbeschaffenheit, welche die Belastung der Fahrwerkskomponenten maßgeblich bestimmt.

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BPW steuert nicht nur Know-how zum Projekt bei, sondern auch ein Versuchsfahrzeug. Der Testtrailer ist mit intelligenter Sensorik ausgestattet: Sie erfasst wertvolle Daten und ermittelt fahrdynamische Zustände während der Fahrt auf einer Recheneinheit im Trailer.

Ein Projekt mit klarem Praxisbezug

Die erfassten Daten sollen mit dem zu entwickelnden IdenT-System gezielt genutzt werden: Sensordaten werden in Echtzeit von einem mathematischen Modell des Sattelzugs – also einem digitalen Zwilling – ausgewertet und weiterverarbeitet. Während der Fahrt online gesammelte Informationen werden zusätzlich über eine Cloud-Infrastruktur an einen Offline-Zwilling gesendet, der mithilfe detaillierterer Fahrzeugmodelle beispielsweise den Komponentenverschleiß berechnet und dem Online-Zwilling zurückmeldet. „Wir fungieren im Projekt als Systemintegrator und Schnittstelle zu den Endanwendern des IdenT-Systems“, erläutert Dr. Kobler den Beitrag von BPW. „Wichtig ist uns eine kundenzentrierte Entwicklung, die die Anforderungen der Fahrzeughersteller und der Fahrzeugbetreiber immer im Blick hat und sukzessive zur Serienreife führt.“ Ein von BPW zur Verfügung gestelltes Versuchsfahrzeug ist bereits im Einsatz: Der Auflieger dient dazu, das System im realen Fahrbetrieb zu erproben, und liefert wertvolle Daten und Erkenntnisse.

Von Science-Fiction zur Realität

Sattelzüge, die ohne Fahrer und damit ohne vorgeschriebene Lenkzeiten rund um die Uhr im Einsatz sind. Zugmaschinen, die wissen, wann Verschleißkomponenten ausgetauscht werden müssen – und selbstständig Werkstattbesuche planen und umsetzen. Keine Frage: Die Gesamtkosten über die Haltedauer eines Fahrzeugs („Total Cost of Ownership“) lassen sich mithilfe der zunehmenden Automatisierung und innovativer Technik wie Sensorik oder Telematik deutlich beeinflussen, das Einsparpotenzial ist enorm. Doch wie lange wird es noch dauern, bis diese Möglichkeiten konkret ausgeschöpft werden und Lkws autonom unterwegs sein können? „In geschlossenen Umgebungen abseits der Straßenverkehrsordnung, zum Beispiel auf Betriebshöfen, wird das relativ zügig möglich sein“, so die Einschätzung von Dr. Jan-Philipp Kobler. „Bis Lkw und Auflieger komplett ohne Fahrer unterwegs sind, kann es aber durchaus noch 20 Jahre dauern. In der Übergangsphase wird sich nach meiner Einschätzung die Rolle des Fahrers mehr und mehr verändern – hin zu jemandem, der vorne sitzt, sich anderweitigen Aufgaben widmen kann und nur in Ausnahmefällen die Kontrolle übernimmt, ähnlich wie heute die Piloten in Flugzeugen agieren.“ Entscheidend für die Dynamik dieser Entwicklung bis hin zum vollständig autonomen Fahren wird sein, dass die Sicherheit gewährleistet ist und für Fahrzeugbetreiber ein deutlicher Mehrwert erkennbar ist. Mit dem Forschungsprojekt IdenT leisten BPW und seine Konsortialpartner einen wichtigen Beitrag dazu, die Transformation des Transports mit innovativen Lösungen aktiv voranzutreiben.

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Zusammensetzung des Projekt-Konsortiums

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